RefStimmen

Glück gehabt

Eines möchte ich vorab sagen: Ich möchte einige Erfahrungen aus meinem Referendariat teilen, obwohl ich selbst mein Referendariat mit einer sehr guten Note und ohne mich persönlich betreffende demütigende Erfahrungen bestanden habe. Ich hatte das Glück, dass meine Fachleiter mich wertschätzend behandelt und mich nur auf sachlicher Ebene kritisiert haben.
Das sollte eigentlich ganz selbstverständlich sein, aber leider war es das für einige Mitreferendarinnen und Mitreferendare nicht. Ich habe während der zahlreichen Unterrichtsbesuche bei Mitreferendarinnen und Mitreferendaren häufig mitbekommen, wie sie bei Nachbesprechungen regelrecht fertig gemacht wurden. Man hatte den Eindruck, dass diese Personen schon vorverurteilt waren und dass sie ganz unabhängig von der gezeigten Unterrichtsstunde auf persönlicher Ebene kritisiert und manchmal sogar beschimpft oder gedemütigt wurden. Oft hätte man an den Unterrichtsplanungen durchaus berechtigte fachliche Kritik üben können, aber leider geschah dies häufig nicht auf transparente und faire Art und Weise. Von Seiten der Fachleiter kam manchmal eine Sprache zum Einsatz, die man in keinem Klassenraum tolerieren würde. Es fielen Schimpfwörter und es wurden Aussagen gemacht, die zutiefst verletzend und überhaupt nicht der Sache angemessen waren, weil sie die Persönlichkeit der Betroffenen kritisierten. Ich habe es mehrere Male erlebt, dass eine Mitreferendarin nach einer Nachbesprechung sich selbst und ihre Daseinsberechtigung komplett in Frage stellte. Natürlich gibt es immer mal wieder Referendarinnen und Referendare, die sich aus unterschiedlichen Gründen nur bedingt oder gar nicht für den Schuldienst eignen und dies muss ihnen im Laufe ihrer Ausbildung auch deutlich gemacht werden. Allerdings ist es nicht akzeptabel, dass dabei die professionelle und die persönliche Ebene so vermischt werden, dass die betroffenen Personen nicht nur ihre berufliche Zukunft, sondern ihre gesamte Existenzberechtigung in Frage stellen. Oft hatte ich zudem den Eindruck, dass bestimmte Bewertungen schon von Vornherein feststanden. Dies trifft, wenn ich ganz ehrlich bin, übrigens auch auf die mir zugekommenen guten Bewertungen zu. Allgemein hatten wir alle den Eindruck, dass die persönliche Situation jedes Referendars und jeder Referendarin (z.B. eigene Kinder, Migrationshintergrund, usw.) sowie auch Äußerlichkeiten wie die Kleidung eine Rolle bei der Bewertung bzw. Wahrnehmung durch die Fachleiter spielten. All diese Aspekte erscheinen umso schlimmer, weil sie in der Lehramtsausbildung auftreten. Hier sollten alle Beteiligten eigentlich versuchen, Vorbilder für die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer zu sein, z.B. durch Transparenz, Fairness, Neutralität, Toleranz, usw.
Insgesamt zog sich bei vielen Personen eine Atmosphäre der Angst durch das gesamte Referendariat. Man konnte dabei zusehen wie selbstbewusste und gesunde Menschen zu physisch und psychisch stark belasteten Personen wurden. Im Nachhinein frage ich mich manchmal - auch sehr selbstkritisch - warum eigentlich niemand versucht hat, etwas gegen diese Missstände zu unternehmen. Ich glaube, dass dies hauptsächlich zwei Gründe hatte: Es gibt ein so starkes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Referendarinnen und Referendaren und den Verantwortlichen am Studienseminar, dass man lieber alles still erträgt als sich unbeliebt zu machen. Man hat nur das Ziel vor Augen, diese Zeit irgendwie zu überstehen und dabei wird man auf gewisse Weise manchmal zu einer Art Roboter, der völlig unkritisch und automatisch seine Arbeit verrichtet. Versuche, Kritik an jeglichen Personen oder Vorgängen am Studienseminar zu üben, scheiterten. Soweit ich es mitbekommen und auch selbst erfahren habe, wurden diese Anliegen meistens einfach abgeschmettert. Eine Refendarin, die es "gewagt" hat, häufiger Kritik zu äußern, wurde offensichtlich als problematisch von den Verantwortungsträgern wahrgenommen.
Auch jetzt noch schockiert mich die Tatsache, dass fast jede Referendarin und jeder Referendar in meinem Jahrgang nach einer gewissen Zeit gesundheitliche Probleme bekommen hat. Ich weiß sicher von folgenden Problemen: starke Kopf- oder Bauchschmerzen, Schlafstörungen, starke Gewichtsabnahme- oder zunahme, Rücken- oder Nackenprobleme, Kieferverspannungen. Ich erinnere mich so gut daran, weil wir nach dem Examen mit einer Art schwarzem Humor diese Gesundheitsprobleme gesammelt haben. Ich selbst habe, obwohl ich kaum Misserfolgserlebnisse hatte, fast jede dieser gesundheitlichen Einschränkungen gehabt. Das liegt daran, dass man 1,5 Jahre lang unter einem enormen Druck steht, der sich unabhängig davon, ob man die fairen oder unfairen Fachleiter "erwischt", durch die Rahmenbedingungen des Referendariats automatisch aufbaut. Viel zu viele Unterrichtsbesuche (ich selbst hatte 36), zu viele verpflichtende Hospitationen mit teils langen Fahrzeiten, eng getaktete Abgabefristen und viele, oft unausgesprochene Erwartungen (z.B. Versorgen der Fachleiter mit Kaffee und Kuchen bei Unterrichtsbesuchen) führen zu permanentem Stress. Hinzu kommen vollkommen überflüssig wirkende Regelungen, die wir Referendarinnen und Referendare nicht nachvollziehen konnten, die uns aber auch niemand überzeugend erklären konnte. Ich denke hier z.B. an die Vorgabe, dass am Prüfungstag jeder Prüfling nach dem Prüfungsunterricht in den jeweiligen Schulen ins Studienseminar fahren muss, um dort die mündliche Prüfung zu absolvieren. Das verursacht an dem Tag großen zusätzlichen Stress, wenn sich die Schule nicht direkt in Oldenburg befindet. Ich kenne auch kein anderes Studienseminar, an dem das so gehandhabt wird. Ich denke, dass das Referendariat an sich überdacht und reformiert werden muss, wenn man sicherstellen möchte, dass sich auch in Zukunft noch junge Menschen für den tollen Beruf der Lehrerin oder des Lehrers entscheiden. Speziell am Studienseminar Oldenburg sollte man endlich ehrlich sein, die zahlreichen kritischen Stimmen ernst nehmen und Veränderungen zulassen. Dafür müssen ganz sicher einige Personen "ausgetauscht" werden.
—2015, Studienseminar gym. Lehramt Oldenburg